Rotraut Wurst: Aufgaben und Zielsetzungen von Sakyadhita im Westen.
Internationales Symposium: Frauen im Buddhismus, 7.-9. Febr. 1997, Frankfurt am
Main. Journal of Religious Culture / Journal für Religionskultur Nr. 27-12
(1999)
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Journal of
Religious Culture
Journal für Religionskultur
Ed. by / Hrsg. Von Edmund Weber
Institute for Irenics / Institut für Wissenschaftliche Irenik
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
ISSN 1434-5935- © E.Weber
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Nr.
27-12 (1999)
Aufgaben
und Zielsetzungen von Sakyadhita im Westen
Von
Rotraut Wurst
1. Vorstellung von Sakyadhita International
Sakyadhita International, das internationale
Netzwerk buddhistischer Frauen, wurde auf Initiative von Ayya Khema, von
Bhiksuni Karma Lekshe Tsomo, Dr. Chatsumarn Kabilsingh, und Carola Roloff bzw.
Bhiksuni Jampa Tsedroen, auf der ersten Konferenz buddhistischer Nonnen 1987 in
Bodhgaya, Indien, gegründet. Ayya Khema ist Nonne in der Theravada - Tradition
und Leiterin des Buddha - Hauses im Allgäu. Die Amerikanerin Bhiksuni Karma
Lekshe Tsomo ist Nonne in der tibetischen Tradition. Dr. Chatsumarn Kabilsingh
ist Professorin an der Thammasat University in Bangkok, beteiligt am Netzwerk
Engagierter Buddhisten und Repräsentantin von Sakyadhita Thailand. Carola
Roloff ist Nonne in der tibetischen Gelugpa - Tradition und war bis 1995
Repräsentantin für Sakyadhita Deutschland. Unter Schirmherrschaft S. H. des
Dalai Lama organisierten sie die erste "Conference on Buddhist Nuns".
1.1. Austausch von Erfahrungen
Auf der Konferenz in Bodhgaya trafen sich zum
ersten Mal in der buddhistischen Geschichte Nonnen der verschiedenen
Traditionen und verschiedener Herkunftsländer, unter ihnen auch viele
interessierte Mönche. Das erste Mal seit dem Verschwinden des Nonnenordens in
Indien wurde das Bhiksunis-Pratimoksa von zehn Bhiksunis aus verschiedenen
buddhistischen Traditionen und Nationalitäten gemeinsam rezitiert und
Verfehlungen bekannt. Das, wenn frau so will, "ökumenische" Treffen,
gab den Ordinierten ein Forum, sich auszutauschen; ein Austausch zum einen
darüber, was es heißt, in einer modernen Gesellschaft, in buddhistischen, wie
in nicht-buddhistischen Ländern, das Leben einer buddhistischen Nonne zu
führen, zum anderen, was es heißt, in den verschiedenen Traditionen als
ordinierte Frau zu leben.
Die Frage, wie die in den meisten
buddhistischen Traditionen und Ländern verloren gegangene Bhiksuni-Tradition
für Frauen wieder etabliert werden kann, wurde hier erstmalig diskutiert und
wurde zum Diskussionsthema Nummer Eins auf den weiteren Konferenzen: Außer in
China, Korea und Vietnam, deren buddhistische Traditionen vollordinierte Nonnen
kennen, ist in den anderen Ländern, die bis auf den historischen Buddha
zurückführbare Übertragungslinie auf der Basis einer der Tradition
entsprechenden Ordensaufnahme für Frauen unterbrochen und nicht mehr
aufgenommen worden. Im Fall der Mönche dagegen war, wenn eine Übertragungslinie
beispielsweise durch Krieg verlorenging, die volle Ordination durch die
Hinzuziehung von Ordenangehörigen anderer Länder, die die Lehre bewahrt hatten,
der Mönchsorden wieder hergestellt worden. Der Statusverlust des Nonnenordens
durch die nicht zur Verfügung stehende Bhiksuni-Ordination hat dazu geführt,
daß Nonnen an sozialer und religiöser Wertschätzung verloren haben und anders
als die Mönche in der Regel über geringere Möglichkeiten der Bildung, der
religiösen Entwicklung oder auch des materiellen Wohlergehens verfügen.
Sakyadhita International sieht es aufgrund
der Bedeutung, die die Ordination und der intakte und lebendige Nonnenorden
gerade auch für die gesellschaftlichen, religiösen und persönlichen Fragen von
heute darstellen, als wesentliche Aufgabe an, Frauen die volle Ordination
wieder zugänglich zu machen und dabei mitzuwirken, daß in den verschiedenen
buddhistischen Traditionen erneut oder erstmalig anerkannte Nonnenorden
entstehen, die sich den Anforderungen in einer modernen Gesellschaft stellen
können.
1.2. Geschichte und Entwicklung von
Sakyadhita
Auf der ersten "Conference on Buddhist
Nuns", wurde Sakyadhita, das internationale Netzwerk buddhistischer Frauen
gegründet mit dem Ziel, der "Bereitstellung von Ausbildungs- und
Forschungsmöglichkeiten", in denen Frauen als Lehrerinnen ausgebildet
werden sollen. Außerdem sollen Frauen unterstützt werden, "die ordiniert
werden möchten, und langfristig" soll darauf hingewirkt werden, "daß
die volle Ordination für Buddhistinnen in allen Ländern eingeführt wird."
Da die erste Konferenz buddhistischer Frauen 1987 das große Interesse
buddhistischer Laiinnen erregt hatte, wurden die nachfolgenden Konferenzen in
"Conferences on Buddhist Women" geändert und so für alle Frauen
geöffnet, seien sie ordiniert oder nicht. Die Konferenzen fanden in Abständen
von zwei Jahren in verschiedenen asiatischen Ländern statt, so 1991 in
Thailand, 1993 in Sri Lanka und 1995 in Ladakh.
Die Bedürfnisse buddhistischer Frauen nach
Unterstützung, Bildung und internationaler Vernetzung bei der Anpassung ihres
religiösen Weges an moderne Erfordernisse bildet einen weiteren Schwerpunkt des
buddhistischen Frauennetzwerkes Sakyadhita. Aufgrund dessen sind die
Konferenzen jedesmal gekennzeichnet durch einen ökumenischen, interreligiösen
und interkulturellen Austausch.
Alle drei Konferenzen, die jeweils von hohen
staatlichen und buddhistischen Persönlichkeiten eröffnet und begleitet wurden,
haben dem Anliegen der Nonnen nach Statusanerkennung und Zugang zu Bildung,
einschließlich moderner Bildung, durch das Entstehen von Projekten, die
finanziell unterstützt werden, Erfolge gebracht. Gleichzeitig bekamen die Ziele
von Sakyadhita durch Printmedien und Fernsehberichte breite Öffentlichkeit.
Die 5. Konferenz buddhistischer Frauen ist
für 1997/98 in Kambodscha geplant. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
1.3. Arbeitsgruppen und Organisationsform von
Sakyadhita International
Sakyadhita International gibt eine Newsletter
heraus, für die Karma Lekshe Tsomo verantwortlich zeichnet. Die Ergebnisse der
ersten Konferenz wurden in Buchform veröffentlicht; deutsch: "Die Töchter
des Buddha". Die Ergebnisse der vergangenen drei Konferenzen sind für die
Veröffentlichung gerade in Bearbeitung. Eine Literaturgruppe, die buddhistische
Texte und Arbeiten über Buddhismus mit dem Schwerpunkt "Frau und
Buddhismus" sammelt, wird von Prof. Janis D. Willis, (Mgl. Sakyadhita USA)
koordiniert. Die Vinaya-Forschungsgruppe wird von Carola Roloff (Mgl. Sakyadhita
Deutschland) koordiniert und hat die Aufgabe, eine gesicherte Basis für die
Wiedereinführung der Bhiksuni - Ordination zur Verfügung zu stellen. Sakyadhita
International mit Sitz in Honolulu, Hawaii, ist dort eine "not for profit
organization". Sie hat 600 Mitglieder weltweit und 1800 Interessierte
registriert. Auf jeder Konferenz steht der siebenköpfige Vorstand, bestehend
aus Präsidentin, Vizepräsidentin, Generalsekretärin und Kassenwartin plus drei
Direktorinnen: für Zentralasien, Südostasien und Europa, samt den Länderrepräsentantinnen
neu zur Wahl.
2. Sakyadhita Europa
Sakyadhita im Westen bedeutet einerseits
Sakyadhita USA mit der bereits oben genannten Literaturgruppe und der
Sakyadhita Newsletter, andererseits Sakyadhita Europa. Sakyadhita Europa
besteht bisher aus sechs Ländern, in denen es gewählte Länderrepräsentantinnen
gibt:
1. Deutschland: Bisher ist Sakyadhita
Deutschland ein lockeres Netzwerk von rund 20 Mitliedern. Seit der letzten
Konferenz, bei der Bhiksuni Jampa Tsedroen vom Amt der Repräsentantin zurücktrat,
gibt es eine neue Repräsentantin. Das erste Mitgliedertreffen im Oktober
letzten Jahres fand positive Reaktionen und wurde auch von Interessierten, also
Nicht - Mitgliedern besucht.
- England: Immer wieder gab es in England
lokale Treffen, doch leider wenig Rückkoppelung zu Sakyadhita International.
Auf der letzten Konferenz wurde eine neue Repräsentantin gewählt. Es besteht
der Wunsch nach verstärktem "Networking" durch Treffen der
Länderrepräsentantinnen Europas und die Absicht, an der geplanten Zeitschrift
Sakyadhita Deutschlands mitzuarbeiten.
- Holland: Die holländische Repräsentantin
arbeitet in Ladakh am Aufbau eines Nonnenklosters mit, ein Projekt von
Sakyadhita International, das auf der letzten Konferenz 1995 entstand.
- Italien, Schweden und die Schweiz sind seit
der vergangenen Konferenz erstmalig dabei.
Bisher steht Sakyadhita Europa per Brief, Fax
und Telefon untereinander in Verbindung. Ein Treffen war bislang noch nicht
möglich, soll jedoch dieses Jahr stattfinden. Dieses Treffen ist grundlegend
für eine Zusammenarbeit, v. a. da sich herauskristallisiert hat, daß die
Probleme in den verschiedenen europäischen Ländern ähnlich sind: Geldmangel
(abhängig von der Organsationsform) und eine gemeinsame Form für die
Öffentlichkeitsarbeit von Sakyadhita im Westen.
2.1. Vorstellung von Sakyadhita Deutschland
Sakyadhita Deutschland hat sich Ende des
vergangenen Jahres zum ersten Mal getroffen. Von den 20 Mitgliedern waren
sieben anwesend, dazu kamen drei Interessierte, u.a. vom Buddhistischen Kreis
Stuttgart e.V. und der Stiftung für Tibetischen Buddhismus. Als weiterer Gast
nahm ein Mitglied von Sakyadhita Holland am Treffen teil. Sie informierte die
Anwesenden über das Projekt in Ladakh, das auf der letzten Konferenz
eingeleitet worden war, die Gründung eines von Sakyadhita International
gesponserten Nonnenklosters (s. o.). Informationen über den Verein
"Buddhistischer Kreis Stuttgart" begleiteten die Überlegungen von
Sakyadhita Deutschland zur Gründung eines Vereins.
2.1.1. Sakyadhita als Verein
Die Bedeutung eines Vereins ist folgende: Ein
Verein gibt die Möglichkeit für ein anderes Auftreten nach außen. Sakyadhita
Deutschland hätte dann die Möglichkeit, z. B. Spenden zu sammeln. Mit diesem
Geld könnte Sakyadhita Vorträge organisieren, um ihre Anliegen und Ziele
bekannt zu machen: "Öffentlichkeitsarbeit". Immer wieder bekam
Sakyadhita Deutschland Post von Mitgliedern, die um Spendenquittungen baten.
Dies ist nur möglich, wenn sich Sakyadhita, wie z. B. in USA entschließt, ein
Verein zu werden. In den europäischen Ländern stellt sich, wie verschiedene
Repräsentantinnen telefonisch und brieflich anklingen ließen, dasselbe Problem:
Spenden fließen spärlich, da sie nicht absetzbar sind; Mitgliedsbeiträge werden
bisher nur für Sakyadhita International erhoben, d.h. daß die Repräsentantinnen
eventuell entstehende Kosten aus eigener Tasche bezahlen müssen. Auch das
Auftreten nach außen, also die Öffentlichkeitsarbeit, wäre anders. Ein Verein
hat eine Satzung, die von einem Notar beglaubigt werden muß, wird vom Finanzamt
überprüft, ist also, da er sich eine rechtliche Form gibt, überprüfbar und
damit für Nicht - Mitglieder und Spendenwillige etwas Handfestes.
2.1.2. Öffentlichkeitsarbeit
Zum Stichwort
"Öffentlichkeitsarbeit" gehört u. a. der Informationsaustausch mit
anderen buddhistischen Gruppen, z. B. dem Netzwerk Engagierter Buddhisten mit
Sitz in Berlin. Außerdem wurde der Kontakt zu den Medien gesucht, z. B. zum
"Spiegel" oder zum Frauenmagazin "Mona Lisa" im ZDF, das
Interesse gezeigt hat, an der Konferenz in Kambodscha teilzunehmen.
Informationsaustausch haben wir auch mit dem Frauenbündnis, Kiel, einer
Initiative der Frauenbeauftragten. In diesem Frauenbündnis sind die
verschiedensten Frauengruppen u. a. das Evangelische Frauenwerk, der Frauenbuchladen,
die Hausfrauengewerkschaft und nun auch das buddhistische Frauennetzwerk
Sakyadhita. Ziel ist das Kennenlernen und der Informationsaustausch unter den
verschiedenen Gruppen und gemeinsame Projekte. (1997 ist eine Veranstaltung zur
pränatalen Implantationsdiagnostik geplant.)
Sakyadhita darf nicht ausschließlich etwas
für Nonnen zu bieten haben - im Westen sind es sehr wenige: von mehr als 60000
Nonnen weltweit sind es nach Karma Lekshe Tsomo im Westen nur einige hundert -,
sondern auch und gerade für Nicht-Ordinierte. Sakyadhita muß zu
gesellschaftlich relevanten Themen etwas zu sagen haben, was gerade in dem oben
genannten Frauenbündnis möglich und m. E. auch notwendig ist.
Schließlich leben wir im Westen nicht in
einer buddhistischen Gesellschaft, sondern müssen uns mit der westlichen
Gesellschaft und Kultur, - dazu gehört auch das Christentum -,
auseinandersetzen. Daß Sakyadhita gesellschaftlich Relevantes zu sagen hat,
zeigen die Vorträge auf den internationalen Konferenzen und die Aktivitäten der
Frauen dort. So arbeitete z. B. Dr. Chatsumarn Kabilsingh (die thailändische
Repräsentantin von Sakyadhita) auf der letzten Konferenz zum Thema
"Prostituierte und Buddhismus" und eine thailändische Nonne, Khunying
Kanitha, bot einen Workshop zu diesem Thema an, da sie seit Jahren in einem
Zentrum arbeitet, das u. a. Hilfe für ausstiegswilligen Prostituierte und
Gesundheitsvorsorge anbietet und sexuell mißbrauchten Kindern hilft. Da
Sakyadhita Deutschland bzw. Sakyadhita Europa zu gesellschaftlichen Themen, wie
auch zu Themen den buddhistischen sangha betreffend, Stellung nehmen will,
wurde auf der Mitgliederversammlung von Sakyadhita Deutschland beschlossen, aus
dem bisherigen Rundbrief von Sakyadhita Deutschland eine Zeitschrift zu machen,
mit dem weiteren Ziel, die Zeitschrift europaweit zu publizieren: Sakyadhita
Holland erklärte sich sofort bereit für die Mitarbeit an der ersten Ausgabe.
Sakyadhita England äußerte an einer europäischen Ausgabe Interesse und ist
gleichfalls an einer Mitarbeit interessiert.
3. Forderungen an Sakyadhita im Westen
Aus den Briefen und Anrufen, die Sakyadhita
erhält, geht hervor, daß das Interesse an einer Vernetzung von Buddhistinnen im
Westen sehr groß ist. Die Frage nach Frauengruppen, die zusammen meditieren,
wird immer wieder gestellt. Zentren, die für Laiinnen ein Retreat ermöglichen,
werden gesucht. Gibt es buddhistische Nonnenklöster hier im Westen, "wo
ich mich mal vom Alltagsstreß zurückziehen kann...", wird gefragt. Gibt es
buddhistische Zentren "nur für Frauen"? Wie sieht es aus mit
"buddhistischer Beratung in Krisensituationen" für Frauen?
Aber auch eine andere Seite wird in letzter
Zeit immer häufiger angesprochen. Es handelt sich dabei um gezielte Fragen zu
den Reden des Buddha, zur buddhistischen Tradition von Frauen, zur sog.
"Frauenfeindlichkeit" in den buddhistischen Texten, die mit der
Frage, ob es denn "Initiativen" gebe, die frauenfeindlichen Stellen
endlich zu streichen", sehr deutlich formuliert werden. Es scheint hier
bei den Frauen sehr viele Verletzungen zu geben.
Viele Frauen sind auf der Suche innerhalb der
christlichen Tradition über die Feministische Theologie und dem Wunsch, sich in
den Armen der "großen Göttin" geborgen zu fühlen, zum Buddhismus
gekommen, in der Hoffnung, daß dort alles anders sei: kein männlicher
Chauvinismus, keine patriarchale, unterdrückerische Tradition, sondern die
gleiche Möglichkeit, die Erleuchtung zu erlangen für Frauen wie Männer. Wenn
diese Frauen dann die buddhistischen Texte lesen, sind sie auf dasselbe Problem
zurückgeworfen, wie in der christlichen Tradition: Die Tradition ist
überwiegend von Männern geprägt, und damit oft von Misogynie.
Daß die Tradition und die Textstellen, in
denen der Haß auf Frauen und damit die Angst vor den Frauen zum Ausdruck kommt,
nicht einfach gestrichen werden können, ist den durch Chauvinismus verletzten
Frauen oft nicht einsichtig. Sakyadhita, wird gefordert, solle hier eingreifen,
Initiativen starten etc. Textstellen, die uns heute nicht mehr angebracht
erscheinen, zu streichen, kann natürlich nicht Ziel von Sakyadhita sein. Ziel
ist es dagegen, die Auseinandersetzung mit diesen Stellen herbeizuführen, und
das m. E. auch mit der Frage, wenn "das und das" in einer bestimmten
Gesellschaft gegolten hat, müssen wir es dann heute noch so ungefragt hinnehmen
oder ist es nicht möglich, gerade im Westen, manche Dinge sukzessive zu ändern.
Dies gilt z. B. für die Unterstellung des Nonnenordens unter den Mönchsorden.
Aus damaliger indischer Tradition ist diese Unterstellung unter den Mönchsorden
zu verstehen: Die Frau war als Kind in der Hand des Vaters und als verheiratete
Frau in der Hand des Ehemannes. Eine selbständige Frau war für diese Zeit und
diese Gesellschaft undenkbar. Heute ist die Situation zumindest bei uns im
Westen eine andere, jedenfalls vom Gesetz her. Vielleicht ändern sich die Dinge
auch in Zukunft in einem westlichen Sangha.
3.1. Was bietet Sakyadhita Frauen im Westen?
Aufgaben und Zielsetzungen:
Was kann Sakyadhita Frauen im Westen nun
tatsächlich bieten? Sakyadhita versteht sich als buddhistisches Frauennetzwerk,
das zum Ziel hat, ordinierte, wie nicht-ordinierte buddhistische Frauen zu
unterstützen. Das bedeutet einerseits die finanzielle Unterstützung von
Projekten in Asien, beim Aufbau von Nonnenklöstern und der Einrichtung von
Bildungszentren für Frauen. Es bedeutet auch Aufklärung über die Situation von
Frauen in Asien, gesellschaftlich, wie auch bezüglich der Stellung der
ordinierten Frauen im Sangha und möglicher Veränderungen ihres Status.
Einen "deutschen Buddhismus"
entsprechend eines thailändischen oder tibetischen Buddhismus, wie es Ayya Kema
auf der Konferenz buddhistischer Frauen 1991 in Bangkok als Vision formulierte,
wird es so schnell nicht geben. Jedoch ist es denkbar, daß in den nächsten
zehn, fünfzehn Jahren ein Sangha von Bhiksunis und Bhiksus entsteht, der es
ermöglicht, weitere Nonnen und Mönchen hier in Deutschland zu ordinieren. Es wäre
dann die Frage, wie sich die verschiedenen buddhistischen Traditionen zu einer
"ökumenischen" Ordination stellen würden. Jedoch ist m. E. gerade für
den tibetischen Buddhismus in Deutschland ein "deutscher tibetisch
buddhistischer Sangha", der neue Nonnen (und Mönche) ordiniert, eine
durchaus realistische Zukunftsvision.
Wie aber sieht es heute mit dem Leben einer
buddhistischen Nonne im Westen aus? Wie können buddhistische Nonnen im Westen
ihre Existenz sichern, ohne Almosengang, ohne Spenden? Schließlich leben wir
nicht in einem buddhistischen Land. Das christliche Abendland sieht
buddhistische Nonnen in seiner Gesellschaft nicht vor.
Doch soll Sakyadhita im Westen nicht nur für
die Ziele buddhistischer Nonnen hier Unterstützung anbieten, gefragt ist, auch
den nichtordinierten Frauen, die den Buddhismus, egal welcher Schule,
praktizieren, ein Forum zu bieten: Dieses Forum soll den Frauen die Möglichkeit
bieten, sich über ihre Erfahrungen in den verschiedenen buddhistischen Schulen
austauschen zu können und Hilfe bei Problemen bei der Meditation anbieten.
Durch die Schaffung der Geschäftsstelle der Direktorin von Sakyadhita Europa
ist es u. a. möglich geworden, Termine zu koordinieren und Adressen von
buddhistischen Zentren im Westen, wie auch von Klöstern in Asien zu erhalten.
Die Nachfrage nach Klöstern und
Retreatzentren, in denen Frauen für eine gewisse Zeit mit anderen Frauen
zusammen leben und meditieren können, ist groß. Es scheint, daß die Frauen hier
im Westen, die an spirituellem Leben und spiritueller Praxis interessiert sind,
sich, wie schon angedeutet, nicht in den beiden großen christlichen Kirchen
aufgehoben fühlen. Daß der Wunsch nach einem spirituellen Leben ein
gesellschaftlich ernst zu nehmender Faktor ist, zeigt sich auf den "Conferences
on Buddhist Women", auf denen die Frage nach Ordination zur upasika, wie
auch zur Noviz-Nonne immer wieder zum Thema wird. Dies wird gleichfalls durch
die Briefe deutlich, die den Länderrepräsentantinnen von Sakyadhita im Westen
zugehen. Bisher ist es Sakyadhita Europa nur möglich als Anlaufstelle für
solche Anfragen, wie die oben genannten, zu dienen. Sie dient der Vernetzung,
der Beratung und als Informationsbüro.
4. Sakyadhita im Westen - eine Vision
Sollte es Sakyadhita Europa gelingen, die
Vernetzung unter den Ländern, in denen es gewählte Vertreterinnen von
Sakyadhita International gibt, zu verstärken, u. a. mit der erwähnten
Publikation einer Zeitschrift für Sakyadhita Europa, so besteht die Möglichkeit
in den nächsten zwanzig Jahren ein europäisches "ökumenisch"
buddhistisches Frauenbildungs- und Informationszentrum aufzubauen: Ein
Institut, das mit dem Aufbau einer Bibliothek zum Thema "Frau und
Buddhismus" und mit Vorträgen von Lehrerinnen der verschiedenen
buddhistischen Traditionen den "Töchtern des Buddha", Sakyadhita, in
Europa einen Ort verschafft, der zur Beratung und Information dient, der aber
auch Raum gibt zur Meditation und Praxis und vor allem auch zur buddhistischen
Frauenforschung.
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