Regine Walch: Frauen und Religion. Internationales Symposium: Frauen im Buddhismus, 7.-9. Febr. 1997,Frankfurt am Main. Journal of Religious Culture / Journal für Religionskultur Nr. 27-03 (1999)
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Journal of Religious Culture
Journal für Religionskultur

Ed. by / Hrsg. Von Edmund Weber
Institute for Irenics / Institut für Wissenschaftliche Irenik
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
ISSN 1434-5935- © E.Weber

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Nr. 27-03 (1999)

Frauen und Religion
Von
Regine Walch
Geschäftsführender Vorstand der Heinrich- Böll- Stiftung e.V., Köln

Grußwort an das Internationale Symposion: Frauen im Buddhismus,
7.-9. Febr. 1997, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main.

Die Heinrich-Böll-Stiftung möchte mit dieser Veranstaltung eine Brücke schlagen zwischen dem Feminismus und dem Buddhismus, zwischen Frauen aus dem Westen und ihrem Anliegen auf Emanzipation und Befreiung, auf ihren Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben und den Frauen, die als Buddhistinnen, als Nonnen und Lainnen ihren Beitrag leisten, das Unglück auf der Erde zu vermindern und Glück zu erreichen. Eine Voraussetzung um ins Gespräch zu kommen ist, daß man die Positionen der Anderen, ihre Grundgedanken kennenlernt.

Bevor wir uns nun am Sonntag mit dem Thema Feminismus und Buddhismus befassen werden und mit dem feministischen Blick auf die buddhistische Lehre, mit der Frage was denn für westliche Frauen und Feministinnen so anziehend am Buddhismus ist und über ihre Erfahrungen mit der buddhistischen Praxis sprechen, wollen wir uns morgen der Tradition und den Worten Buddhas nähern, um uns in unseren Gedanken und in unseren Positionen kennenzulernen.

Ich möchte nun einige Gedanken zum Thema Frauen und Religion vortragen. In der Heinrich-Böll-Stiftung, beschäftigen wir uns seit ungefähr drei, vier Jahren mit dem Thema 'Frauen in den Religionen'. Ausgangspunkt dafür war der Beginn eines Projektes, daß die Stiftung in Pakistan unterstützt, das Projekt 'Women living under Muslim Law', 'Frauenleben unter islamischen Recht', bei dem es um Rechte der Frauen, auch um Rechtsberatung für Frauen besonders in schwieriger Lage geht. Zur Begleitung dieses Projektes existiert nicht nur in Lahore in Pakistan ein kontinuierlicher Gesprächskreis 'Frauen und Religion', sondern es wurde auch hier in Deutschland ein Arbeitskreis zum selben Thema gegründet, mit dem Ziel der deutschen Öffentlichkeit eine differenzierte Sichtweise über das Frauenbild in islamischen Kulturen zu vermitteln. Es stellte sich aber heraus, daß dies nur möglich ist, wenn wir uns unseres eigenen religiösen Hintergrundes gegenwärtig werden und wenn wir auch über Gründe für die Abwehr von Religionen reflektieren, was sehr viele Frauen, insbesondere die Feministinnen, getan haben.

Die Auseinandersetzung mit dem Islam, mit der für uns fremden Religion zwang uns also zur Reflexion über die eigene Religion. Es galt die Frage zu beantworten, welche Rolle spielt denn überhaupt das Christentum, die christliche Kultur hier in unserem Lande und welche Bedeutung hat sie für uns als Frauen. Wir konnten feststellen, daß, auch ohne religiöse Erziehung, der Einfluß auf das Selbstbild der Frauen zwar versteckt aber bedeutsam ist, daß das Christentum Bestandteil unserer Kultur ist und weiterhin uns als Frauen prägt, auch die Beziehung der Geschlechter zueinander. Das Verhältnis von Frauenbewegung und christlicher Religion, bzw. der Kirche, besonders das der Feministinnen heute, war und ist äußerst problematisch. Die Kirche, von Männern geführt, hat sich beinahe in allen Auseinandersetzungen um die Befreiung der Frau auf die Seite der patriarchalen Tradition gestützt und ist für die Beibehaltung oder gar Stärkung der männliche Vorrechte eingetreten. Im Zweifel hat sie sich meist gegen das Recht der Frau auf Autonomie und Menschenwürde ausgesprochen. Überhaupt weigerte sich die Kirche, d. h. ihre männlichen Repräsentanten, sich über die wirkliche Situation von Frauen Gedanken zu machen. Doch die Frauenbewegung in den 70 er Jahren in Westeuropa und in den USA brachten dieses Thema neu zur Diskussion. Frauen aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen begannen Methoden und Inhalte ihres Fachs unter dem Blickwinkel des Feminismus neu zu sehen. Frauen machten sich zum Subjekt und zum Thema der Forschung und auch der politischen Aktion und so auch in den Religionswissenschaften.

Der Kritik der Frauen konnte sich auch die Theologie und die Kirche auf Dauer nicht entziehen Sie mußten sich mit ihren Anliegen und Forderungen auseinandersetzen. Die Emanzipationsbewegung versuchte nun ihre Erkenntnisse auch für die Theologie fruchtbar zu machen und Frauenerfahrungen einzubeziehen, sowie kirchlich religiöse Erfahrungen aufzuspüren. Frauen deckten die theologische und kirchliche Frauenfeindlichkeit auf, sie suchten nach verlorengegangenen Frauentraditionen. Sie beurteilten die idealisierten Frauenbilder, wie z. B .die Marienfiguren oder auch die verteufelten Frauenbilder, wie die Eva, neu und betrachteten sie mit ihrem eigenen Standpunkt. Nicht um neue Dogmen ging es dabei, sondern darum, daß die religiöse Erfahrung von Frauen ernst genommen wird. Sie kritisierte das Frauenbild der Kirche, auch den moralischen Druck und die Frauenverachtung der Kirche, diskutierten frauenspezifische Themen und machten sich auf die Suche nach einem religiösen Ort für eigene Traditionen. Sie analysierten aber auch ganz praktisch und pragmatisch die mangelnden Berufsaussichten in der Kirche und befaßten sich mit dem Ausschluß der Frauen aus dem Priesteramt.

Die beiden großen christliche Kirchen kamen also nicht umhin sich auf Druck der Frauenbewegung zu verändern, wie in der Gesellschaft überhaupt sind die Frauen durch ihre immer stärker werdende Beteiligung am kirchlichen Leben auch in den Kirchen zum Thema geworden. Hier in Deutschland sind die beiden großen Kirchen regelrecht Frauenbetriebe. Achtzig Prozent ihrer MitarbeiterInnen sind Frauen. In den Kirchengemeinden, in den Kirchengemeinderäten und in den Synoden sind Frauen stark repräsentiert, in verschiedenen Landeskirchen sind Frauenreferate eingerichtete worden und inzwischen dringen Frauen auch auf unbekanntes Terrain vor, in kirchenleitende Ämter, wie das einer Dekanin oder gar einer Bischofskandidatin. In der katholischen Kirche ist der selbe Trend zu beobachten. Referate für Frauenseelsorge bei den bischöflichen Ordinariaten stärken Frauen in Position zu gehen die ihnen bis dahin vorenthalten wurden, wie Gemeindereferentin oder Religionslehrerin oder Pastoralassistentin. Die Forderung nach Frauenförderplänen nach Quotenregelung gehören inzwischen auch zum kirchenpolitischen Alltag. Inzwischen ist auch die rechtliche Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Kirche Diskussionsstoff, doch es wäre blauäugig anzunehmen, die lange Geschichte der Unterdrückung der Frauen würde nicht auch heute die gesellschaftliche Realität prägen. So selbstverständlich es ist, daß Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ebenso für Frauen wie für Männer gilt, so selbstverständlich werden diese, oft noch in offener, manchmal auch versteckter Form verletzt. Ein ungelöstes Problem ist nach wie vor die Frage nach der Ordination von Frauen und ihrer Teilnahme am geistlichen Amt.

Die feministisch-theologische Kritik setzte vor allem an drei Punkten an, nämlich daß die herrschenden Aussagen und Interpretationen interessengeleitet sind und der Aufrechterhaltung der patriarchalen Geschlechterordnung dienen, und sie weißt nach, daß auch in der Bibel Aussagen zu finden sind, die für die Überwindung von Unrechtsverhältnissen sprechen. Der Lebenszusammenhang von Frauen, ihre Sichtweise spielte keine Rolle. Und immer wieder zitierten Feministinnen das erste Buch Moses und verwiesen darauf, daß die Gottebenbildlichkeit beiden Geschlechtern zugesprochen wird, indem es dort heißt: "Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn und schuf sie als Mann und Frau". Und drittens deckte die feministisch, theologische Kritik das spezielle Sündenverhältnis als frauenfeindlich auf, denn mit der Vorstellung, daß der Körper vom Geist beherrscht werden soll, da er gefährlich und sündig ist, wird auch die Frau abgewertet, denn sie verkörpert die Leiblichkeit nach dieser Vorstellung, sie ist Körper.

Die feministische Perspektive hat aber nicht nur in den christlichen Religionen, sondern auch im Islam und im Buddhismus Eingang gefunden. Geforscht wird inzwischen von Frauen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit vor allem darüber, wo Frauen als Trägerinnen göttlicher Kraft in früheren Kulturen aufzufinden sind, darüber, daß in den Weltreligionen Frauen geringgeschätzt, teilweise verachtet werden und daß die Lehre und die Kirche in festgefügten Herrschaftssystemen im Sinne der Männer funktionieren. Sie spüren verschüttete Traditionslinien und Beispiele auf in denen eigenständige Spiritualität von Frauen zum Vorschein kommt.

In allen Religionen müssen sich die Frauen mit frauenfeindlichen Interpretationen der überlieferten Worte oder Schriften der Religionsstifter auseinandersetzen und sie neu interpretieren. Im Islam wird den Frauen immer noch ein Vers des Korans vorgehalten. Da heißt es, die Rechte der Männer sind über den Frauen eine Stufe höher und im Buddhismus gipfelt eine männliche Interpretation der Lehre darin, daß die Erleuchtung in einem weiblichen Körper ausgeschlossen sei. Das zentrale Denkmodell der christlich- patriarchalen Tradition geht aus von der Vorstellung der schöpfungsmäßigen Unterordnung der Frau unter den Mann, denn sie ist von Gott aus der Rippe des Mannes gemacht. In allen Religionen können sich wiederum die Frauen gleichermaßen auf die Religionsstifter beziehen, auf ihre Worte und Taten. Buddhistinnen können auf Buddha verweisen, der einen Nonnenorden gründete, Christinnen können die Bibel zitieren, wie oben schon erwähnt. Prinzipiell gilt aber, daß in der Zeit Mohammeds, in der Zeit Christi und in der Zeit Buddhas vorwiegend patriarchale Strukturen vorherrschten, und daß sie mit ihrer Lehre nicht außerhalb dieses Systems bleiben konnten. Diese geschichtliche Relativierung ihrer Aussagen muß berücksichtigt werden und wird auch in der Diskussion von Frauen berücksichtigt, damit ihre Worte nicht sozusagen als 'ewig gültige' Gesetze gelten .

Ich möchte nun noch ganz kurz zum Verhältnis von Buddhismus und Feminismus einige Anmerkungen machen. Es ist nicht so verwunderlich, daß trotz der antireligiösen und antiklerikalen Einstellung vieler Feministinnen sich inzwischen doch viele vom Buddhismus angezogen fühlen, deshalb weil es doch etliche Berührungspunkte zwischen beiden Positionen gibt. Es lassen sich einige Parallelen in den Denkmustern finden, z. B. in der feministischen Theologie oder auch in der feministischen Bildungsarbeit. Sylvia Kolk, die leider auf unserer Konferenz nicht dabei sein kann, hat in einer Arbeit sehr schön nachgewiesen, daß es eine Verbindung gibt und ähnliche Ansatzpunkte zwischen der feministischen Bildungsarbeit und dem Buddhismus. Einige Parallelen sind z.B. das Menschenbild der feministischen Theologie, dies ist vielfach vom Ideal der Ganzheit bestimmt, von der Einheit der Materie und Geist, von Gefühl und Verstand von Natur und Kultur, von dunkel und hell. Nach der feministischen Interpretation hat gerade das patriarchalische Denken diese beiden Pole jeweils Dual, trennend, spaltend nebeneinander gestellt und die eine Seite dem Mann zugeschrieben und die andere der Frau, also Verstand, Stärke Vernunft dem Mann, und Natur, Gefühle, Dunkelheit und Schwäche der Frau. Diese Dualität führt letzten Endes auch zur Verurteilung der Frau, die als Nachfolgerin der ungehorsamen Eva, den Mann verführt. Im Buddhismus finden wir auch diese ganzheitliche Haltung, die die Leiblichkeit,die Körperlichkeit des Menschen gerade bejaht und auch die dunklen Seiten der menschlichen Natur in den Blick nimmt und nicht abspaltet und sie auch nicht auf die Frau projiziert.

Eine weitere Parallelität besteht darin, daß die Unterschiede zwischen Mann und Frau nicht als naturgegeben, sondern als soziale Konstruktion, als gesellschaftlich bedingt oder entstanden angesehen werden, z. B. eben durch Erziehung.

Und noch eine Parallele ist die, daß die Verbindung zwischen Selbsterfahrung und sozialem Engagement betont wird. In der Frauenbewegung spielte die Reflexion über die eigene Person und das persönliche Wachstum immer eine große Rolle und immer verbunden mit einer sich verändernden Praxis. Insbesondere in der ersten Phase entstanden vielfältig Selbsterfahrungsgruppen in denen Frauen sich austauschen konnten und sich über ihre gemeinsame Situation klarwurden, um dann ihre Situation auch verändern zu können. Auch dort fanden sich meditative Elemente.

Ich denke, daß heute im Buddhismus die Frage der Anwendung des in dem Bewußtseinstraining Erfahrenen, in der Praxis eine immer stärker und öfter gestellte Frage ist. Also wie komme ich aus einer weiter entwickelten Bewußtseinshaltung in das soziale Engagement. Es gibt noch einige Parallelen, die möchte ich hier jetzt nicht weiter aufzählen, ich denke wir werden diese in der Diskussion vertiefen können.

Ich möchte nur zum Schluß noch zwei Punkte aufgreifen, wo ich denke, daß der Feminismus vom Buddhismus etwas lernen kann und sich sozusagen auch über eigene Beschränkungen hinaus weiter entwickeln sollte. Das sind für mich zwei Punkte, nämlich da, wo der Buddhismus sich bezieht auf das Mütterliche als bewahrendes Element und als Element der Fürsorglichkeit. Hier hat meiner Ansicht nach der Feminismus sehr oft Position dagegen bezogen und sich gegen solche Momente im Frau sein verwehrt aus Angst wieder in traditionelle Muster zu verfallen. Ein weiterer Punkt ist für mich das Harmoniestreben wo, aufgrund der Situation der Konflikte zwischen Mann und Frau, auch der Feminismus sich gegenüber einer Vision einer Harmonie zwischen den Geschlechtern sehr häufig versperrt hat und ich glaube, daß diese beiden Elemente aufzuarbeiten und weiter zu transformieren, für den Feminismus sehr wichtig ist.

Für mich persönlich ist das Gespräch an diesem Wochenende, das Gespräch zwischen den Frauen aus unterschiedlichen Ländern, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Religionszugehörigkeit, eine große Hoffnung. Eine Hoffnung, hin zur Befreiung von Denkmustern die Barrieren aufbauen und die Freude ein Gespräch zu führen, das die eigene Kultur nicht verleugnet, vorhandene Gemeinsamkeiten findet und Neues entwickelt, daß verspreche ich mir von der Konferenz und ich wünsche uns einen guten, spannenden und fruchtbaren Verlauf.
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